Die Nürnberger Prozesse – ein Meilenstein im Völkerstrafrecht
Zum ersten Mal wurden Politiker und Militärs durch ein internationales Gericht persönlich für ihre Taten zur Verantwortung gezogen. Seither ist eine Verfolgung solcher Kriegsverbrechen strafrechtlich möglich. Das ARD-Dokudrama „Nürnberg 45 – Im Angesicht des Bösen“ erinnert daran, dass Kriegsverbrechen nicht ungesühnt bleiben dürfen – und dass Recht vor Rache geht.
Perspektive zweier junger Holocaust-Überlebender
Der Film erzählt die Ereignisse von Nürnberg aus der Perspektive zweier junger Holocaust-Überlebender: Ernst Michel, damals 22 Jahre alt, und Seweryna Szmaglewska, damals 29 Jahre alt. Jonathan Berlin und Katharina Stark spielen Ernst Michel und Seweryna Szmaglewska.

Seweryna Szmaglewska (Katharina Stark) und Ernst Michel (Jonathan Berlin) auf den Treppen des Nürnberger Justizpalastes
© NDR/Márton Kállai
Ernst Michel ist mit seinen 22 Jahren nicht nur der jüngste der internationalen Reporter, die den Prozess beobachten – er ist unter ihnen auch der einzige Holocaust-Überlebende. Im Auftrag der alliierten Nachrichtenagentur DANA sitzt er täglich im Saal 600 des Nürnberger Justizpalastes, nur sechs Monate, nachdem er der Hölle von Auschwitz und Buchenwald entkommen ist.

Ernst Michel (Jonathan Berlin) berichtet über die Nürnberger Prozesse © NDR/Márton Kállai
Seweryna Szmaglewska ist 29 Jahre alt und eine von zwei polnischen Zeugen, die vor Gericht aussagen sollen. Nach ihrer Befreiung schrieb sie unverzüglich ihre Erinnerungen an die Zeit im Konzentrationslager auf: „Dymy nad Birkenau“ („Die Frauen von Birkenau“) schildert detailliert die Vorkommnisse im KZ – die sowjetische Delegation bei den Nürnberger Prozessen macht das Buch zum Teil ihrer Anklageschrift.

Seweryna Smzaglewska (Katharina Stark) wartet darauf, vor dem Gericht auszusagen © NDR/Márton Kállai
Besetzung
Francis Fulton-Smith verkörpert den Top-Nazi und Kriegsverbrecher Hermann Göring, Wotan Wilke Möhring spielt dessen Anwalt Dr. Otto Stahmer. Franz Dinda ist Willy Brandt, der als Gerichtsreporter für skandinavische Medien über die Nürnberger Prozesse berichtete.



Francis Fulton-Smith als Hermann Göring, Wotan Wilke Möhring in der Rolle des Anwalts Otto Stahmer, Franz Dinda als Willy Brand und Jonathan Berlin als Ernst Michel © NDR/Márton Kállai
Dokumentation
Ernst Michel
Für den dokumentarischen Teil von „Nürnberg 45“ fand das Team ein bewegendes TV-Interview mit Ernst Michael, das 2005 geführt wurde. Ernst Michel emigrierte in die USA, noch ehe in Nürnberg die Urteile verkündet wurden. Er arbeitete dort erst als Reporter, dann für jüdische Hilfsorganisationen, die Holocaust-Opfer und ihre Hinterbliebenen unterstützen.
Ernst Michel hatte sich geschworen, sein Leben nicht von Hass diktieren zu lassen. Er wurde eine einflussreiche und bedeutende Persönlichkeit, ging im Weißen Haus ein und aus, war eng befreundet mit Shimon Perez und Menachem Begin. Er gehörte zu den Organisatoren des Welttreffens von 6.000 Holocaust-Überlebenden 1981 in Jerusalem und setzte sich sein Leben lang für die Aussöhnung mit Deutschland ein.

Ernst Michel in der Gedenkstätte Auschwitz © NDR/Robert A. Cumins
Lauren Michel Shachar
Für die Interviews kam Ernst Michels Tochter zum ersten Mal nach Nürnberg, betrat zum ersten Mal in ihrem Leben den Saal 600, in dem ihr Vater die Nürnberger Prozesse verfolgt hatte.
Lauren Michel Shachar ist das älteste der drei Kinder von Ernst Michel. Sie wurde 1953 in Los Angeles geboren. 1967 zog die Familie nach Paris, Lauren machte hier ihr Abitur, kehrte zum Studium der Sonderpädagogik in die USA zurück und beendete ihr Studium 1975. Erzählungen ihres Vaters und Fotos von den Nürnberger Prozessen begleiteten sie seit frühester Kindheit. 1979 emigrierte sie nach Israel und lebt seitdem in Jerusalem.
1981 unterstützte sie ihren Vater bei der Organisation des Welttreffens der Holocaust-Überlebenden mit 6.000 Teilnehmenden und ihren Familien, für Ernst Michel der Höhepunkt seines Lebens. Seit dem Tod von Ernst Michel 2016 engagiert sich Lauren Michel Shachar als Rednerin, um das Vermächtnis ihres Vaters zu bewahren.

Lauren Michel Shachar im Interview © NDR/Jens Boeck
Seweryna Szmaglewska
eweryna Szmaglewska wurde 1916 im polnischen Przygłów geboren. Nach dem Überfall von Hitlers Truppen auf Polen brach sie ihr Studium in Krakau (Kraków) und Lodz (Łódź) ab und schloss sich dem Untergrund an.
Dort half sie, verletzte polnische Partisanen medizinisch zu versorgen. Außerdem beteiligte sie sich daran, polnische Schulkinder mit von den Besatzern verbotener polnischer Literatur zu versorgen.
Von 1942 bis 1945 war sie im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau inhaftiert.
1946 sagte sie als eine von zwei Zeugen aus Polen bei den Nürnberger Prozessen aus. Nach dem Krieg lebte sie einige Jahre in Lodz später in Warschau, wo sie eine erfolgreiche Schriftstellerin wurde.

© NDR/Privatarchiv Jacek Wiśniewski
Jacek Wiśniewski
Für das Interview begab sich Jacek Wiśniewski auf die Spuren seiner Mutter in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.
Jacek Wiśniewski wurde 1949 in Lodz geboren. Er ist der jüngere der beiden Söhne von Seweryna Szmaglewska und Witold Wiśniewski. 1956 zog die Familie nach Warschau. Nach dem Abitur studierte Jacek englische Philologie, machte seine Doktorarbeit und wurde schließlich Professor für Anglistik. Er publizierte vier Bücher, alle drehen sich thematisch um Literatur zu Kriegszeiten. Seweryna Szmaglewska ist auch heute noch eine sehr populäre Autorin in Polen, ihr Buch „Dymy nad Birkenau“ ist Pflichtlektüre an polnischen Schulen. In Zusammenarbeit mit dem Verlag kümmert sich Jacek um das Andenken und Vermächtnis seiner Mutter.

Synchronsprecher*innen
Heino Ferch (Ernst Michel), Annette Frier (Lauren Michel Shachar), Herbert Knaup (Jacek Wiśniewski)
Produktionsinformationen
„Nürnberg 45 – Im Angesicht des Bösen“ ist eine Produktion der Zeitsprung Pictures GmbH in Koproduktion mit der Spiegel TV GmbH, im Auftrag von NDR, BR, SWR, WDR, RBB, MDR, HR, SR und Radio Bremen für die ARD. Der Film wurde unterstützt vom Hungarian Film Incentive und gefördert mit Mitteln der nordmedia – Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen mbH. Produzenten: Michael Souvignier, Till Derenbach (Zeitsprung). Co-Produzenten: Kay Siering, Michael Kloft (Spiegel TV). Buch: Dirk Eisfeld. Regie: Carsten Gutschmidt. Redaktion: Marc Brasse (NDR), Andrea Bräu (BR)

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