NDR: Nürnberg 45 – Im Angesicht des Bösen

Am 27. September feierte das ARD Doku-Drama „Nürnberg 45 – Im Angesicht des Bösen“ seine Premiere auf dem Filmfest Hamburg. Anlass für die Produktion ist der 80. Jahrestag des Beginns der Nürnberger Prozesse am 20. November 1945. Das Erste zeigt den Film am 9. November um 21.45 Uhr.

Die Nürnberger Prozesse – ein Meilenstein im Völkerstrafrecht

Zum ers­ten Mal wur­den Poli­ti­ker und Mili­tärs durch ein inter­na­tio­na­les Gericht per­sön­lich für ihre Taten zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen. Seit­her ist eine Ver­fol­gung sol­cher Kriegs­ver­bre­chen straf­recht­lich mög­lich. Das ARD-Doku­dra­ma „Nürn­berg 45 – Im Ange­sicht des Bösen“ erin­nert dar­an, dass Kriegs­ver­bre­chen nicht unge­sühnt blei­ben dür­fen – und dass Recht vor Rache geht.

Perspektive zweier junger Holocaust-Überlebender

Der Film erzählt die Ereig­nis­se von Nürn­berg aus der Per­spek­ti­ve zwei­er jun­ger Holo­caust-Über­le­ben­der: Ernst Michel, damals 22 Jah­re alt, und Sewery­na Szma­glews­ka, damals 29 Jah­re alt. Jona­than Ber­lin und Katha­ri­na Stark spie­len Ernst Michel und Sewery­na Szma­glews­ka.

Sewery­na Szma­glews­ka (Katha­ri­na Stark) und Ernst Michel (Jona­than Ber­lin) auf den Trep­pen des Nürn­ber­ger Jus­tiz­pa­las­tes
© NDR/Márton Kál­lai

Ernst Michel ist mit sei­nen 22 Jah­ren nicht nur der jüngs­te der inter­na­tio­na­len Repor­ter, die den Pro­zess beob­ach­ten – er ist unter ihnen auch der ein­zi­ge Holo­caust-Über­le­ben­de. Im Auf­trag der alli­ier­ten Nach­rich­ten­agen­tur DANA sitzt er täg­lich im Saal 600 des Nürn­ber­ger Jus­tiz­pa­las­tes, nur sechs Mona­te, nach­dem er der Höl­le von Ausch­witz und Buchen­wald ent­kom­men ist.

Ernst Michel (Jona­than Ber­lin) berich­tet über die Nürn­ber­ger Pro­zes­se © NDR/Márton Kál­lai

Sewery­na Szma­glews­ka ist 29 Jah­re alt und eine von zwei pol­ni­schen Zeu­gen, die vor Gericht aus­sa­gen sol­len. Nach ihrer Befrei­ung schrieb sie unver­züg­lich ihre Erin­ne­run­gen an die Zeit im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger auf: „Dymy nad Bir­ken­au“ („Die Frau­en von Bir­ken­au“) schil­dert detail­liert die Vor­komm­nis­se im KZ – die sowje­ti­sche Dele­ga­ti­on bei den Nürn­ber­ger Pro­zes­sen macht das Buch zum Teil ihrer Ankla­ge­schrift.

Sewery­na Smza­glews­ka (Katha­ri­na Stark) war­tet dar­auf, vor dem Gericht aus­zu­sa­gen © NDR/Márton Kál­lai

Besetzung

Fran­cis Ful­ton-Smith ver­kör­pert den Top-Nazi und Kriegs­ver­bre­cher Her­mann Göring, Wotan Wil­ke Möh­ring spielt des­sen Anwalt Dr. Otto Stah­mer. Franz Din­da ist Wil­ly Brandt, der als Gerichts­re­por­ter für skan­di­na­vi­sche Medi­en über die Nürn­ber­ger Pro­zes­se berich­te­te.

Fran­cis Ful­ton-Smith als Her­mann Göring, Wotan Wil­ke Möh­ring in der Rol­le des Anwalts Otto Stah­mer, Franz Din­da als Wil­ly Brand und Jona­than Ber­lin als Ernst Michel © NDR/Márton Kál­lai

Dokumentation

Ernst Michel

Für den doku­men­ta­ri­schen Teil von „Nürn­berg 45“ fand das Team ein bewe­gen­des TV-Inter­view mit Ernst Micha­el, das 2005 geführt wur­de. Ernst Michel emi­grier­te in die USA, noch ehe in Nürn­berg die Urtei­le ver­kün­det wur­den. Er arbei­te­te dort erst als Repor­ter, dann für jüdi­sche Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen, die Holo­caust-Opfer und ihre Hin­ter­blie­be­nen unter­stüt­zen.

Ernst Michel hat­te sich geschwo­ren, sein Leben nicht von Hass dik­tie­ren zu las­sen. Er wur­de eine ein­fluss­rei­che und bedeu­ten­de Per­sön­lich­keit, ging im Wei­ßen Haus ein und aus, war eng befreun­det mit Shi­mon Perez und Men­achem Begin. Er gehör­te zu den Orga­ni­sa­to­ren des Welt­tref­fens von 6.000 Holo­caust-Über­le­ben­den 1981 in Jeru­sa­lem und setz­te sich sein Leben lang für die Aus­söh­nung mit Deutsch­land ein.

Ernst Michel in der Gedenk­stät­te Ausch­witz © NDR/Robert A. Cumins

Lauren Michel Shachar

Für die Inter­views kam Ernst Michels Toch­ter zum ers­ten Mal nach Nürn­berg, betrat zum ers­ten Mal in ihrem Leben den Saal 600, in dem ihr Vater die Nürn­ber­ger Pro­zes­se ver­folgt hat­te.

Lau­ren Michel Shach­ar ist das ältes­te der drei Kin­der von Ernst Michel. Sie wur­de 1953 in Los Ange­les gebo­ren. 1967 zog die Fami­lie nach Paris, Lau­ren mach­te hier ihr Abitur, kehr­te zum Stu­di­um der Son­der­päd­ago­gik in die USA zurück und been­de­te ihr Stu­di­um 1975. Erzäh­lun­gen ihres Vaters und Fotos von den Nürn­ber­ger Pro­zes­sen beglei­te­ten sie seit frü­hes­ter Kind­heit. 1979 emi­grier­te sie nach Isra­el und lebt seit­dem in Jeru­sa­lem.

1981 unter­stütz­te sie ihren Vater bei der Orga­ni­sa­ti­on des Welt­tref­fens der Holo­caust-Über­le­ben­den mit 6.000 Teil­neh­men­den und ihren Fami­li­en, für Ernst Michel der Höhe­punkt sei­nes Lebens. Seit dem Tod von Ernst Michel 2016 enga­giert sich Lau­ren Michel Shach­ar als Red­ne­rin, um das Ver­mächt­nis ihres Vaters zu bewah­ren.

Lau­ren Michel Shach­ar im Inter­view © NDR/Jens Boeck

Seweryna Szmaglewska

ewery­na Szma­glews­ka wur­de 1916 im pol­ni­schen Przy­głów gebo­ren. Nach dem Über­fall von Hit­lers Trup­pen auf Polen brach sie ihr Stu­di­um in Kra­kau (Kraków) und Lodz (Łódź) ab und schloss sich dem Unter­grund an.

Dort half sie, ver­letz­te pol­ni­sche Par­ti­sa­nen medi­zi­nisch zu ver­sor­gen. Außer­dem betei­lig­te sie sich dar­an, pol­ni­sche Schul­kin­der mit von den Besat­zern ver­bo­te­ner pol­ni­scher Lite­ra­tur zu ver­sor­gen.

Von 1942 bis 1945 war sie im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ausch­witz-Bir­ken­au inhaf­tiert.

1946 sag­te sie als eine von zwei Zeu­gen aus Polen bei den Nürn­ber­ger Pro­zes­sen aus. Nach dem Krieg leb­te sie eini­ge Jah­re in Lodz spä­ter in War­schau, wo sie eine erfolg­rei­che Schrift­stel­le­rin wur­de.

© NDR/Privatarchiv Jacek Wiś­niew­ski

Jacek Wiśniewski

Für das Inter­view begab sich Jacek Wiś­niew­ski auf die Spu­ren sei­ner Mut­ter in das Ver­nich­tungs­la­ger Ausch­witz-Bir­ken­au.

Jacek Wiś­niew­ski wur­de 1949 in Lodz gebo­ren. Er ist der jün­ge­re der bei­den Söh­ne von Sewery­na Szma­glews­ka und Witold Wiś­niew­ski. 1956 zog die Fami­lie nach War­schau. Nach dem Abitur stu­dier­te Jacek eng­li­sche Phi­lo­lo­gie, mach­te sei­ne Dok­tor­ar­beit und wur­de schließ­lich Pro­fes­sor für Anglis­tik. Er publi­zier­te vier Bücher, alle dre­hen sich the­ma­tisch um Lite­ra­tur zu Kriegs­zei­ten. Sewery­na Szma­glews­ka ist auch heu­te noch eine sehr popu­lä­re Autorin in Polen, ihr Buch „Dymy nad Bir­ken­au“ ist Pflicht­lek­tü­re an pol­ni­schen Schu­len. In Zusam­men­ar­beit mit dem Ver­lag küm­mert sich Jacek um das Andenken und Ver­mächt­nis sei­ner Mut­ter.

Synchronsprecher*innen

Hei­no Ferch (Ernst Michel), Annet­te Frier (Lau­ren Michel Shach­ar), Her­bert Knaup (Jacek Wiś­niew­ski)  

Produktionsinformationen

„Nürn­berg 45 – Im Ange­sicht des Bösen“ ist eine Pro­duk­ti­on der Zeit­sprung Pic­tures GmbH in Kopro­duk­ti­on mit der Spie­gel TV GmbH, im Auf­trag von NDR, BR, SWR, WDR, RBB, MDR, HR, SR und Radio Bre­men für die ARD. Der Film wur­de unter­stützt vom Hun­ga­ri­an Film Incen­ti­ve und geför­dert mit Mit­teln der nord­me­dia – Film- und Medi­en­ge­sell­schaft Niedersachsen/Bremen mbH. Pro­du­zen­ten: Micha­el Sou­vi­gnier, Till Deren­bach (Zeit­sprung). Co-Pro­du­zen­ten: Kay Sier­ing, Micha­el Kloft (Spie­gel TV). Buch: Dirk Eis­feld. Regie: Cars­ten Gut­schmidt. Redak­ti­on: Marc Bras­se (NDR), Andrea Bräu (BR)

Das Team von Nürn­berg 45 © Film­fest Ham­burg 2025

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