Der Bundesverband der Berufsbetreuer*innen (BdB) fordert: Der Referentenentwurf muss unverzüglich in vollem Umfang zurückgenommen und grundlegend überarbeitet werden.

Hamburg, den 23. September 2024 – „Das geplante Gesetz zur Reform der Betreuervergütung ist eine Katastrophe. In vielen Fällen würde es zu einer realen Einkommensminderung führen – statt zu der versprochenen Vergütungserhöhung. Das sehen viele Berufsbetreuer*innen und Betreuungsvereine als unmittelbar existenzbedrohend an“, kritisiert der BdB-Vorsitzende Thorsten Becker den Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz (BMJ), der am 16. September veröffentlicht wurde.

Thorsten Becker © Sven Darmer

Fassungslosigkeit bei Berufsbetreuer*innen

Der Gesetzentwurf hat unter Berufsbetreuer*innen einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Thorsten Becker: „Uns erreichen in diesen Tagen täglich zahlreiche wütende Zuschriften unserer Mitglieder. Sie sind zurecht schockiert und empört, weil sie mit deutlichen Einkommensverlusten rechnen müssen. Sollte dieser Entwurf Gesetz werden, so ist das Massensterben von Vereinen und selbstständigen Berufsbetreuer*innen programmiert.“

Forderung nach Rücknahme und Überarbeitung

Der BdB fordert daher vom BMJ die sofortige Rücknahme und Überarbeitung des Referentenentwurfs: „Es muss zu einem Vergütungssystem kommen, wie es unser Verband seit langem fordert – ein System, das konsequent vereinfacht und leistungsgerecht ist. Unter keinen Umständen darf es zu Einkommenseinbußen kommen“, sagt Thorsten Becker.

Realitätsferne Berechnungen

Hauptkritikpunkt: Die Pauschalen für mittellose Klient*innen, die zu Hause leben, sollen deutlich abgesenkt werden. „Das ist eine Katastrophe, die zu realen Einkommensverlusten führt“, sagt Thorsten Becker. Der Grund: „Mehr als 80 Prozent unserer Klient*innen sind mittellos. Wir betreuen hauptsächlich Sozialleistungsempfänger*innen, Obdachlose, psychisch Kranke, Drogenabhängige, Alte und Demente – die Schwächsten in unserer Gesellschaft.“

Das belegen Modellrechnungen, die der BdB von seinen Mitgliedern erhalten hat und eine Modellrechnung, die das Institut für freie Berufe (IFB) im Auftrag des BdB für einen Durchschnittsbetreuer durchgeführt hat.

Die Pauschale für nicht mittellose Klient*innen soll um 24 Prozent erhöht werden. „Doch sind Klient*innen, die selbst zahlen, eher die Ausnahme als die Regel“, erläutert Thorsten Becker: „Nur rund 16 Prozent aller Klient*innen sind nicht mittellos. Wir fragen uns, warum unsere Leistungen für mittellose Menschen weniger wert sein sollen, als für Selbstzahlende. Wir fordern, dass die Unterscheidung aufgehoben wird. Für die meisten Berufsbetreuer*innen wird sich der Beruf unter den geplanten Rahmenbedingungen nicht mehr rechnen. Wir können einpacken!“

Grandios gescheitert

Bundesministerium der Justiz © Shutterstock

Das BMJ hat sich im Interesse einer Einigung vorab mit den Ländern über die Reform verständigt. Thorsten Becker: „Das war ehrenwert, doch politisch zeigt der Entwurf an verschiedenen Stellen, dass dieser Versuch grandios gescheitert ist. Die Länder haben durchgesetzt, dass die Kategorie mittellos/vermögend beibehalten wird. Das natürlich aus dem naheliegenden Grund, weil die Mittellosen von den Ländern bezahlt werden, die nicht Mittellosen zahlen selbst. So machen sich die Länder einen schlanken Fuß: Bei Lichte besehen, sollen es diese Menschen schultern, dass Berufsbetreuer*innen besser vergütet werden. Im Grunde eine Frechheit, denn als nicht mittellos bzw. vermögend gilt, wer gerade mal mehr als 10.000 Euro besitzt.“

Der BdB fordert die Landesjustizverwaltungen auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben. Thorsten Becker: „Die Länder müssen anerkennen, dass die staatliche Fürsorge für Menschen mit Unterstützungsbedarf sichergestellt werden muss. Und zwar in Form der rechtlichen Betreuung. Es ist eine Pflichtaufgabe, die angemessen finanziell ausgestattet werden muss.

Gesetzesziel verfehlt

Das Ziel der Reform ist es, die Betreuervergütung grundlegend neu zu strukturieren, das gesamte System zu vereinfachen, den bürokratischen Aufwand zu reduzieren UND das Vergütungsniveau für Berufsbetreuer*innen an die aktuelle Tarifentwicklung anzupassen. Thorsten Becker resümiert: „In der Präambel werden die Ziele der Reform präzise und aus unserer Sicht vollkommen richtig benannt. Doch die Umsetzung führt zum Gegenteil. Das Gesetzesziel wird deutlich verfehlt. Da ist der aktuelle Status quo noch besser.“

Falsche Berechnungsgrundlage

Als Grundlage für die Berechnungen der Pauschalen dient der festangestellte Vereinsbetreuer. Das Gros der Berufsbetreuer*innen arbeitet jedoch selbstständig. Thorsten Becker: „Wir haben Kosten: Büromieten, Mitarbeitende, Ausstattung, Software, Versicherungen, um nur einige Posten zu nennen. Auch unsere Altersvorsorge finanzieren wir selbstverständlich selbst. Auch das zeigt, wie realitätsfern im BMJ gedacht wird.“

Im Vorwort heißt es, das Gesetz wolle dafür sorgen, dass der Beruf attraktiver wird. Thorsten Becker: „Aus unserer Sicht ist der Entwurf geeignet, den Beruf zu vernichten. Damit besteht die Gefahr, dass die Errungenschaften von 30 Jahren Betreuungsrecht  wieder zurückgefahren werden.“

Mehr Informationen

www.berufsbetreuung.de

BdB-Vergütungskampagne

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Über den BdB

Der Bundesverband der Berufsbetreuer*innen (BdB) ist mit 8.000 Mitgliedern die größte Interessenvertretung des Berufsstandes. Er ist die kollegiale Heimat seiner Mitglieder und macht Politik für ihre Interessen. Er stärkt seine Mitglieder darin, Menschen mit Betreuungsbedarf professionell zu unterstützen, ein Leben nach eigenen Wünschen und Vorstellungen zu führen – selbstbestimmt und geschützt.

Der BdB wurde 1994 gegründet – zwei Jahre, nachdem mit dem Betreuungsgesetz Konzepte wie „Entmündigung“ und „Vormundschaft“ für Erwachsene abgelöst wurden. Bereits damals leitete ihn der Gedanke, Menschen mit Betreuungsbedarf in Deutschland professionell zu unterstützen, so dass sie ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können.
Mit seiner fachlichen Expertise und viel Idealismus setzte sich der Verband bereits frühzeitig für mehr gesellschaftliche Teilhabe betreuter Personen ein, wie sie erst später gesetzlich verankert wurde.

Handeln und Entscheidungen der BdB-Mitglieder basieren auf demselben humanistischen Menschenbild, das auch der UN-Menschenrechtskonvention von 1948 und der UN-Behindertenrechtskonvention von 2006 zugrunde liegt.